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Kinderschutzbund machte einen Test (1985) E-Mail

Kinderschutzbund machte einen Test

Das gebe ich euch heimlich" Viele Geschäfte verkauften trotz Verbot Alkohol an Kinder

(u.b.) „Das gebe ich euch heimlich, das dürft ihr keinem erzählen", sagte eine Verkäufern, als sie Kindern eine Flasche hochprozentigen Alkohol verkaufte. Sie wusste das Alter der Käufer und sie wusste auch, dass sie gegen das Jugendschutzgesetz verstieß. Dieser besonders krasse Fall ist Teil einer traurigen Bilanz, die am Dienstag eine Testkauf-Aktion vom Kinderschutzbund ergab.

Kinder einer Schulklasse des Ratsgymnasiums im Alter von 12 bis 13 Jahren wurden in große Einzelhandelsgeschäfte und Supermärkte geschickt und verlangten dort Schnaps und Likör „für ein Klassenfest". In 18 der insgesamt 55 Gladbecker Geschäfte, die die Schüler aufsuchten, bekamen sie, was sie laut Jugendschutzgesetz nicht bekommen dürfen: Branntwein und branntweinhaltige Getränke.. An Jugendliche unter 16 Jahren dürfen auch kein Bier und kein Wein verkauft werden. Die Aktion des Kinderschutzbunds soll ein Beitrag zu der für Ende November geplanten „Alkoholwoche" des Jugendamts sein. Der Jugendalkoholismus hat in erschreckendem Maße zugenommen und das Jugendamt bemüht sich intensiv um Aufklärung der Erwachsenen über dieses Problem. Zum verantwortungsbewussten - Handeln sind besonders auch die Geschäftsleute und das Verkaufspersonal aufgerufen. Schon 1982 und 1983 hatte der Kinderschutzbund Testkäufe durchgeführt. Beim letzten Test haben sogar 39 Geschäfte gegen das Verkaufsverbot verstoßen.

Die Namen der damaligen „Sünder" wurden an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Die Ergebnisse der diesjährigen Aktion werden ebenfalls gemeldet. Im vorigen Monat führte nun auch das Jugendamt erstmalig Testkäufe durch: 15-16jährige wurden losgeschickt und versuchten, in Imbissstuben und bei Trinkhallen Alkohol zu besorgen. „Die Auswertung ist noch nicht ganz abgeschlossen, fest steht aber, dass ausnahmslos alle Kioske Spirituosen an die jugendlichen Käufer abgaben", teilte Stadtjugendpfleger Wolfgang Roth der WAZ mit. Besonders schlimm sei, dass wohl die meisten Verkäufer wissentlich gehandelt hätten. Erst kürzlich hatten nämlich Mitarbeiter des Ordnungsamts allen Gladbecker Trinkhallen Merkblätter persönlich überbracht und über das Problem im Gespräch informiert. Besonders dick gedruckt steht auf Blättern alles Wichtige über die Bestimmungen für die den Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche Beide Testkaufaktionen werden Konsequenzen für die Geschäfte haben. Auch eine Kassiererin bekam schon Schwierigkeiten, als ein Lehrer der jungen Testkäufer eine Flasche zurückbrachte und auf den Gesetzesverstoß hinwies. Ihr Vorgesetzter musste den Kassenbon ungültig machen, erinnerte sie daran, dass sie sich durch Unterschrift verpflichtet habe, die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Die Geschäftsleitung ist dadurch abgesichert, die Kassiererin kann aber direkt von den Behörden zur Verantwortung gezogen werden.

WAZ, 25. Oktober 1985
Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 18. November 2009 um 14:52 Uhr