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Elektronische Oma (1988) E-Mail

Kinderschutzbund-Diskussion informierte Eltern kleiner TV-Fans

'Elektronische Oma' Fernsehen hat nicht nur negative Seiten

(as)Streitobjekt 'Flimmerkiste': Rund 4 Stunden täglich laufen im Durchschnitt die TV-Geräte in jenen deutschen Haushalten, die Kabelprogramme empfangen können; Pädagogen und Medien-Forscher warnen vor den Folgen übermäßigen TV-Konsums, verunsichert stehen Eltern vor der mit dem Angebot wachsenden 'Bildersucht' ihrer Kinder. „Wie viel Fernsehen ist für Kinder schädlich?" fragte deshalb am Montag Abend eine Diskussionsveranstaltung des Kinderschutzbundes.

Als Referent eingeladen war Diplom-Psychologe Peter Czech, von der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder. Von ihn hatte man sich vielleicht eine verbindliche Antwort erhofft doch auf allgemein-gültige Regeln wollte er sich nun gerade nicht festlegen lassen. Er appellierte vielmehr an die pädagogische Kraft der Eltern, die sich ernsthaft mit diesem Problem auseinandersetzen. Grundsätzlich müsse (und könne auch) jeder selbst entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist: „Eltern kennen Kind schließlich am besten". Wichtig sei es, die individuellen Auswirkungen zu beobachten und dann entsprechend zu handeln. Auf den Film, den das eine Kind offenbar problemlos verarbeite, könne ein anderes zum Beispiel mit Einschlaf-Störungen reagieren und sobald sich tatsächlich negative Folgen zeigen, müsse man eben die Notbremse ziehen. Diese flexible Reaktion biete dann gleichzeitig das überzeugende Argument für eine Fernseh-Beschränkung und damit eine gewisse Erleichterung bei der Durchsetzung.

Keine 'Berieselung'

Eindeutig gefährlich findet Peter Czech jedoch Gewaltdarstellungen, die der kindlichen Lebenswelt sehr nahe sind: Etwa in den Nachrichten, in manchen Krimis oder vor allem in Sendungen wie „Aktenzeichen XY Ungelöst". Durch ihren Realismus müssten sie geradezu zwangsläufig angsterzeugend wirken. Hier sei elterliche Konsequenz gefragt, vor allem auch gegenüber dem beliebten Hinweis, dass „alle anderen" dergleichen sehen dürften. „Erwachsene tun, wissen oder haben schließlich auch nicht alles, was der Nachbar tut, weiß oder hat", meint dazu der Psychologe. Generell lehne er allerdings übertrieben pessimistische Urteile ab, sie machten den Eltern oft nur ein schlechtes Gewissen, ohne praktizierbare Hilfen anzubieten. Er jedenfalls habe Verständnis für die vielbeschäftigte Mutter, die heilfroh sei, wenn die „elektronische Oma" Fernsehen ihr den Nachwuchs einmal abnehme. Immerhin sei das Kinderprogramm mitunter pädagogisch ausgezeichnet gemacht - günstig sei es natürlich, gezielt auszuwählen und möglichst keine ständige Gewohnheit oder gar 'Berieselung' hinzunehmen.

Im übrigen löse sich das Problem mit dem Älterwerden häufig von selbst: Jugendlichen sei die Clique meist weit wichtiger, als die unerreichbaren Fernseh-Lieblinge. Allzu viel Druck und Steuerung zögere diese Phase eher hinaus, weil das Verbotene bekanntlich ihr besonders reizvoll sei.

RN 9. November 1988
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 19. November 2009 um 09:49 Uhr